Location: Jeffs Kitchen, Perth
Mood: very fine
Current time 7.30pm
Hello folks,
hier mal wieder eine kleine Abenteuergeschichte aus dem Leben des Vagabunden :)
Eine aktuelle Berichterstattung der Situation ist mal dringend notig, denn mittlerweile hat sich mein Leben hier ein wenig normalisiert und in geordnete Bahnen geschoben.
Ich arbeite nun bei Wally Mitchel, einem Trainer drei Strassen weiter von Jeff.
Mein Tagesablauf unter der Woche sieht also folgenermassen aus:
Um drei Uhr morgends stehe ich auf, nicht wirklich anwesend, doch immerhin soweit bei Bewusstsein, um heil aus meinem Bett uber der Fahrerkabine des Caravans klettern zu konnen. Ich raffe mir meine Arbeitshose, ein Shirt und das geliebte blaue Baumfallerhemd und torkel erstmal die Auffahrt hoch uber die Veranda ins Haus. Da noch alle schlafen muss ich mich sehr konzentrieren, nicht allzu viel Larm zu machen, wenn ich gegen Turrahmen renne oder uber Schwellen stolper ins Bad. Meine Maschinen fangen erst an zu arbeiten, wenn ich bei einer Schale Musli wach werden kann. Danach geht es auf meinem pinken Klapperfahrrad, welches mir Jeff geliehen hat und wo der Stander entweder in die Speichen sticht oder meine Pedale behindert, die Strasse runter zu Wallys Stall. Das ist momentan wirklich das schlimmste am Morgen, denn das Wetter hat sich deutlich abgekuhlt und wir schwanken taglich zwischen Regengussen und Sturm hin und her. Wenn es so windig ist geht es eigentlich noch mit der Kalte, hier ikst nichtmal der Sturm wirklich kalt. Nur wenn man um diese Uhrzeit, also kurz vor vier Uhr, auf dem Fahrrad mit nackten Waden im Regen durch die Nacht radelt, ist alles die Holle.
Ich komme also um 4 Uhr im Stall an\, hore Bernie schon von weitem singen und muss gleich erstmal grinsen. Das macht die morgendliche Arbeit um einiges einfacher. Zum warm werden darf ich Scheisse aus den Yards (so eine Art Paddocks) sammeln und die Wassereimer neu fullen. Einige Pferde, genau genommen drei, weil wir drei Yards haben, bleiben die Nacht uber draussen. Das wechselt immer. Die Pferde kommen dann also in ihre Boxen, wir saubern die Yards und schmeissen drei andere Pferde wieder raus. Dann kommen ihre Boxen dran, wobei Bernie, Wine (Wallys Bruder) und Wallys Exfrau die Boxen von Appeln befreien und glatt harken. Ich saubere und befulle Wassereimer, leere die Eikmer mit den Appeln aus und wenn die Boxen grundlich gereinigt werden fulle ich die Karre mit neuer Einstreu.
Dann kommen die drei Pferde wieder rein, die nachsten drei gehen raus usw. Das geht ungefahr eine Stunde lang. Wir haben momentan elf Pferde im Stall, wobei das aber auch immer mal wechselt, weil nicht alle Pferde (eigentlich nur der kleinste Teil) davon Wally gehoren, sondern er die Pferde anderer Lweute bei sich stehen hat, um sie zu trainieren.
Mit den gemachten Boxen ist die Arbeit aber noch lange nicht getan, denn nun werden die Pferde, die auf dem Track (Rennplatz) gearbeitet werden, ruber uber die Strasse gefuhrt. Auf dem Platz gibt es reihenweise Stander fur die Pferde, weil alle Stalle aus Ascot hier zusammen kommen. Wir haben unsere festen Platze und Wine hat schon mit dem Bus die ganzen Sachen hingebracht. Die Gaule kommen also in diese Stander, werden aufgesattelt und warten dann auf die Jockeys. Das Prinzip hinter dem Training ist namlich, dass die Jockeys eigentlich in erster Linie auf dem Track reiten, um sich selbst zu trainieren. Die Trainer stellen sozusagen die Pferde zur Verfugung und habven ihre Gaule dazu gleich noch bewegt. So in der Art muss man sich das also vorstellen, wenn die Jockeys mit ihren blinkenden Lichtern an den Helmen (nicht zu vergessen, noch stockfinstere Nacht und wenig Licht auf den Rennbahnen) und ihren Signalwesten (die wir ubrigends alle auf dem Track tragen) an den Standern vorbei rennen und mit den Trainern schnacken, ob sie reiten konnen/sollen. Also Trense (engl. Bridal) aufgezogen, Instruktionen vom Trainer gehort und ab geht er. Meine Aufgabe ist es, die Pferde eben aufzusatteln und aufzutrensen und die Pferde nach der Arbeit wieder in Empfang zu nehmen. Dann wird ihnen alles vom Leib getuddert und es geht in die Waschboxen. Zum Fuhren ausserhalb des eigenen Hofes ist ubrigends ein Boullbit (k.A. ob man's so schreibt) vorgeschrieben. Das ist quasi ein einfaches Gebiss, was einfach uber das Halfter gezogen wird und mit dem Halfter zusammen Am Fuhrstrick befestigt wird. So hat man eine bessere Kontrolle uber die manchmal doch recht aufgedrehten Viecher. Man darf namlich auch nicht vergessen, dass Rennpferde ja alle noch verdammt jung sind und wenn man so einen Haufen Halbstarker auf die Rennbahn schickt, kann man nicht erwarten, dass sie danach wieder die Ruhe in Person sind.
In der Waschbox wird also der Schweiss runter gespuhlt (gaaaanz wichtig: zwischen den Pobacken und den Kopf bzw. hinter den Ohren. Am Anfang war ich mindestens genauso nass wie das Pferd, mittlerweile habe ich den Dreh mit dem Abstand halten raus :) .
Dann geht es zuruck in die Stander, mit einem Handtuch wird der Kopf abgerubbelt und mit einem Schweissmesser der Korper. Wenn die Pferde fertig sind, bekommen sie mit einer Spritze (naturlich ohne Kanule) einen Mineral- und Vitaminsirup ins Maul gespritzt. Die einen lieben ihn und konnen gar nicht genug bekommen, die anderen hassen ihn.
Dann geht es zuruck in den Stall, einmal rein in Yard zum welzen und dann in die Box, Fruhstuck beenden (sie bekommen schon vorher was, aber das iost genug, um sie den ganzen Vormittag zu beschaftigen).
Wenn alle Pferde (die generell gearbeitet werden, momentan haben wir zB einen Fusskranken und eiknen, der seine Karriere als Rennpferd beendet hat und Showpferd werden soll) fertig sind, gibt es da noch vier andere in einem anderen Stall hinter dem Haus, eine Strasse weiter. Das ist immer eine ziemliche Rennerei, wenn man nicht von Wally in seinem A4 um die Ecke gefahren wird. Oder von Bernie, in dem klapprigen Bus :)
Wenn alles erledigt ist, wege ich noch als letzten Akt den Stall und den Hof, meistens ist es dann auch schon 8 Uhr oder spater.
Zuruck zu Hause geniesse ich ein 2. Fruhstuck und falle wieder ins Bett, meistens, wenn nichts anderes anliegt (wie hochwichtige Wasche zu waschen), schlafe ich bis zwolf oder noch spater.
Aber am Nachmittag, um 3 Uhr, muss ich wieder los, noch einmal Stallarbeit machen, Wehwehchen von Pferden versorgen und manchmal gehen welche zum Pool, schwimmen. Ja, lacht nicht. Das ist auch eine Trainingsmethode und neben dem Track ist extra ein Swimmingpool fur Pferde gebaut worden. Der Trainer lauft am Rand entlang, dirigiert den Pferdekopf mit einer Stange ein wenig vom Beckenrand weg. Ich habe noch nicht geschafft, ein Video zu machen oder Bilder, aber das kommt noch. Es sieht wirklich zu komisch aus, wie ein Pferd richtig schwimmt. Als der Pool noch nicht da war sind sie immer zum Fluss runter geritten und dort mit den Pferden geschwommen. Das muss wirklich genial gewesen sein.
Fertig mit der Arbeit wird noch einmal gefegt und ich kann nach Hause, koche etwas oder hange mit Jeff vor dem Fernseher. Um acht gehts dann auch schon wieder ins Bett, immerhin ist die Nacht fruh vorbei.
Gut, soviel also zu meinem Alltag. Samstags picke i9ch ja noch die Glaser up, habe das nun schon 2 Mal gemacht und das letzte Mal, am 25.10., einen richtigen Einlauf bekommen. Nein, ich habe keinen Fehler gemacht oder die betrunkenen Gaste angespuckt.
... ... Ich habe gearbeitet.
Einer aus der Crew nahm mich beiseite und meinte doch ernsthaft, warum ich mich denn nicht mal fur zehn Minuten hinsetzen will? Bringt doch auch nichts, den ganzen Tag wie angestochen zwischen den Tischen herum zu rennen. Nimm dir 'nen break, relax, nimm das bloss nicht so ernst! Was, du rennst ja immer noch?! Nun reicht's aber! Rauchst du? nein? Egal, komm jetzt mit, wir gehen eine Rauchen.
Also musste ich meinen Eimer und Lappen in der Kuche lassen und bin mit ihm in eine Ecke des Platzes gegangen, wo allgemein Crewtreffen ist.
Ich habe ihm erklart, dass wenn man in D'land einfach eine Pause nimmt (ausgenommen von der regularen naturlich) auch gleich geyhen kann, denn da steht man immer unter Druck und muss was zu tun haben. Da schaut er mich mit grossen Augen an und erklarte mir, dass dies hier das Letzte ist, was irgend jemand erwarten wurde. Selbst wenn der Boss mal vorbei schauen SOLLTE, ist man eben gerade in seiner regularen Pause, aknn er doch nicht wissen. Und auch wenn man statt seiner halben Stunde einfach eine dreiviertel Stunde Pause macht, juckt doch auch keinen.
Ich war danach ein wenig nachdenklich uber diese Haltung. Naturlich ist das nun nicht gerade ein Job, der grosse Anforgerungen hat. Aber gerade DESWEGEN ist es fur mich nur naturlich, in meiner Arbeitszeit auch zu arbeiten. Ich will nicht herum sitzen, wenn ich arbeiten KANN.
Dass es Australien trotz dieser Arbeitshaltung nicht schlecht geht ist offensichtlich. Zumindest sind die meisten Defiziete auf das Klima und die schlechten landwirtschaftlichen Bedingungen zu schieben. Und alle sind viel, viel, viel entspannter, freundlicher, haben Zeit fur einen Schnack am Rande und mussen nicht hektisch schauen, wo sie die nachste Zigarette durchziehen konnen.
Trotzdem kann ich das nicht von einem Tag auf den anderen abstellen. Ich will mir dabei selbst treu bleiben und wenn mich alle fur einen Workaholic halten, ist mir das auch egal. Nicht umsonst hore ich dafur standig "You're doin' a good job, girl."
Ubrigends habe ich am letzten Freitag (habe ich das schon erzahlt? sehe selbst nich mehr durch) mein erstes Gehalt von Wally bekommen. $300, da war ich etwas geschockt. Ich habe danach Hurby gefragt, was hier so normal ist, und das ware fast das doppelte. Aber er meinte, ich solle die nachste Woche abwarten, immerhin habe ich ja ers5t seit Montag bei ihm gearbeitet und da noch nichtmal richtig. Also sehne ich den kommenden Freitag mit Spannung herbei, was da im kleinen Tutchen ist.
Dazu kommt noch, das ich heute Strapper war. ... Tja, was konnte das nun wohl wieder sein :)
... ich sag's euch (naturlich tue ich das): Wenn an einem Renntag Pferde laufen, werden sie vor dem Publikum vorgefuhrt, damit die Leute ihre Wetten platzieren konnen. Das ist strappen.
Heute liefen zwei von Wallys Horsies, eines aus "meinem" Stall und eines, das ich bis dahin noch nicht kannte. Ich habe am Nachmittag ganz normal gearbeitet, sollte aber unbedingt meine Licence und andere Klamotten mitbringen. Dann habe ich Chips (eines der Pferde) fein gemacht und mich umgezogen und bin dann mit ihm die Strasse entlang zum Rennplatz getrabt. Normalerweise ist Chipsy ein sehr umganglicher, ruhiger Gaul. Aber naturlich, wenn es ein besonderen Anlass gibt, ist alles andere auch anders. Chipsy war namlich nur so lange ruhig, bis er eine vom Sturm angetriebene Pappbox uber die Strasse poltern sah. Ab da war's vorbei mit der Ruhe und ich lieferte mir einen kleinen Kampf am anderen anderen ande des Stricks mit ihm. Ich habe ihn schon die Strasse davongalloppieren sehen, doch dank Boullbit und wassereimertragend-starke Arme habe ich gewonnen und ihn mehr schlecht als recht zum Tor bringen konnen. Zum Gluck kannte ich die Frau am Einlass schon, da konnte ich mir jeden Papier- und Licenselkram sparen und gelcih durchgehen zu den Standern.
Wally war mit dem anderen Gaul schon dort und auch seine neue Lebensgefahrtin (eine echt liebe Frau, hab immer noch nicht ihren Namen drauf T.T ). Sie hat zum Gluck das andere Pferd gestrappt und ich musste nur hinterher laufen. Es wurden alle bei diesem Rennen startenen Pferde vorgefuhrt und dann zu einem Platz, wo die Jockeys vom wiegen kommen und die Pferde besteigen. Dann warten wir das Rennen ab und nehmen die Pferde wieder in Empfang. Die Jockeys mussen mitsamt sattel wieder zum wiegen und wir fuhren die Pferde direkt (weil sie nicht unter den ersten 6 waren) wieder zu den Standern zuruck. Dabei hatten wir wieder alle Hande voll zu tun, denn beide Gaule waren noch verdammt aufgebracht und gar nicht so schnell zu beruhigen nach dem Adrenalinschub. Aber nach dem Duschen ging es wieder besser und im Yard wurde der Feierabend genossen.
Fur mich eine ziemlich coole neue Erfahrung, weil ich nun einmal bei einem Rennen auf der anderen Seite des Zaunes war.
Ein Statement zum Rennsport allgemein werde ich aucyh nochmal niederschreiben, aber momentan reicht es zu sagen, dass (soviel ich eben gesehen und mitbekommen habe in meinem Stall) mit den Pferden besser umgegangen wird als in so manchem Spring- oder sogar Freizeitreiterstall. Es wird nirgend geschrieen, es gibt hochstens mal einen Klaps auf die Brust oder an die Nase, wenn sich die Pferdezahne nicht aus dem Hemd losen lassen. Das Futter ist eine reine Wissenschaft fur sich und gepflegt werden die Tiere bis ins letzte Haar.
Bei uns ist es sogar noch artgerechter, weil wir bei entsprechendem Wetter ganz auf Decken verzichten und sich Pferd walzen darf und scheuern darf wie es will. In anderen Stallen ist immer eine Decke auf den armen Viechern, damit sie nicht schmutzig werden.
Was naturlich ein grosses Manko ist, ist der fehlende freie Auslauf. Ausser in den Yards haben die Pferde keine Gelegenheit, sich ungehemmt zu bewegen (wie auf einer Weide zB). Wir lassen sie zwar ofters grasen, aber das ist keine Option. Definitiv geht es hier in der Stadt mit so vielen Pferden nicht anders und es ist zumindest ein kleiner Trost, dass die Pferde nur saisonweise im Rennstall sind, sonst eben auch "Urlaub" im Outback bekommen oder ganz mit dem Sport aufhoren und in (hoffentlich meistens) bessere Verhaltnisse ziehen was das angeht.
Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden in dem Job, auch wenn ofters noch Verstandigungsprobleme Fehler meinerseits hervor rufen und ich mich selbst ohrfeige dafur. Abwer ich lerne jeden Tag, selbst wenn es nur das Wort fur Besen ist oder ahnliches. Und den Jungs bringe ich taglich neue bose deutsche Worter bei :) (wusste gar nicht, dass ich so viele kenne XD)
Ach ja, Bernie ist ubrigends noch einer, der mit im Stall arbeitet. Bierbauchig, nahezu Glatze und Bart, eigentlich ein typischer HYarleyfahrer. Aber herzensgut, immer gute Laune und ich glaube, Mami wurde sich tagelang mit dem amusieren konnen. Er erinnert mich manchmal stark an dich :)
Und er singt standig, war schon bei American Idol (was bei uns DSDS ist) und ist aber nicht genommen worden XD. Und er steckt dich einfach immer an mit einem Grinsen, egal wlche Uhrzeit oder in welcher Verfassung du bist. Auf dem Track kennt ihn jeder und jeder schreit schon von weitem "Gid mornin' Bernie!". Ich werd mal heimlich ein Video machen :)
Eigentlich wollte ich noch erzahlen, dass ich Montag- und Dienstagabend weg gewesen bin und Sophie und die Madels aus dem Boomerang in Syd getroffen habe (Lisa und Marina von eminem Zimmer da). Aber nun ist es schon neun und ich denke, ihr habt eh genug zu lesen. Also verschiebe ich das auf das nachste Mal.
Hotte-hues |
Gute Nacht!
Dicken Kuss
P.S.: Ich schreib auch dir bald mal wieder ne Mail, hab dich nich vergessen kleine Mama!